O mahne nicht

O mahne nicht, o mahne nicht
An die verlornen teuren Stunden,
Wo all mein Herz dein eigen ward;
An Stunden, hell von Sonnenlicht,
Vergessen nie, obwohl verschwunden,
Bis unser Herz im Tod` erstarrt.

Verschwunden, doch vergessen nie,-
Die Hand in goldne Locken tauchend,
Dein fliegend Herz, die bange Luft!
Bei meiner Seel`, ich sehe sie,
Die stummen Lippen Liebe hauchend
Und feuchtes Aug` und weiße Brust.

Du suchst an meinem Herzen Ruh´,
Im Aug` ein Blick so voller Süße,
Daß Sehnsucht schüchtern wird und kühn;
Ein eng Umarmen, ich und du, -
Die heißen Lippen tauschen Grüße,
Als wollten sie im Kuß verglühn.

Dein Auge schließt sich, wie im Traum
Begegnen sich die müden Lider,
Sein blauer Stern verschleiert liegt,
Indes der Wimpern schwarzer Saum
Die Wange streift, wie das Gefieder
Des Raben weich auf Schnee sich schmiegt.

All unsre Liebe kam zurück
Heut nacht im Traum, und süßer däuchten
Im Traum die Wonnen alter Zeit,
Als wenn ich schwelgt` in neuem Glück:
Wie deins wird nie ein Auge leuchten
Von Wonne wilder Wirklichkeit.

Drum nenne nicht, und mahne nicht
An Stunden die, obwohl vergangen,
In holden Träumen auferstehn,
Bis einst ein grauer Denkstein spricht:
" Sie sind nicht mehr", - bis mit den bangen
Die lieben Träume untergehn.

(Lord Byron)




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